Was bedeutet bedürfnisorientiertes Abstillen und wieso es bedeutsam für euch als Familie sein kann

Meister Sabrina Still-und Laktationsberaterin IBCLC, Stillbeauftrage in Kliniken, Still- und Laktationsexpertin EISL, Familienberaterin InFanT

Das Abstillen darf bedürfnisorientiert und abgestimmt begleitet werden.

Das Abstillen gehört auch wie der Stillbeginn zu einer Stillbeziehung und darf genauso begleitet und ebenso in einer Zeremonie gehalten werden, wie das erste Stillen! Auch dieser Prozess im Leben einer Familie sollte bedürfnisorientiert und bindungsstärkend begleitet werden, besonders aus der Perspektive des Kindes. In vielen Fällen wird Abstillen als eine Art „Zeitpunkt“ gesehen, der im besten Fall schnell und effizient abgeschlossen werden soll. Aber das bedürfnisorientierte Abstillen, das den natürlichen Entwicklungsrhythmus des Kindes und die individuellen Bedürfnisse der Familie berücksichtigt, ist ein viel nachhaltigerer und gesünderer Ansatz.

Mutter und Kind sind Stillpartner

Wenn es um das Thema Abstillen geht, wird häufig der Fokus auf die Wünsche und Bedürfnisse der Eltern gelegt. Natürlich spielen sie eine zentrale Rolle, aber oft wird übersehen, wie sehr auch das Abstillen das Kind betrifft. Kinder, die an der Brust trinken, tun dies nicht nur aus Ernährungsgründen, sondern auch, um Nähe, Geborgenheit und Trost zu finden. Mit dem Abstillen verändert man also nicht nur die Ernährungssituation sondern auch bekannte Regulationsquellen. Ein abruptes Abstillen, besonders wenn es sehr schnell vonstatten geht, kann das Kind emotional fordern und zu Unsicherheit oder Ängsten führen. Es ist daher wichtig, den Übergang in einen sanften, behutsamen Prozess zu verwandeln, der die Bindung und das Vertrauen zwischen Mutter und Kind stärkt, statt sie zu gefährden.

Mit innerer Klarheit ist in paar Tagen alles durch…Wirklich?

Der Körper der Mutter ist darauf ausgerichtet, Milch zu produzieren, so lange das Kind an der Brust trinkt. Ein abruptes Abstillen, vor allem innerhalb weniger Tage, kann zu einer Reihe von Problemen führen: Der Milchfluss wird nicht mehr ausreichend reguliert, was zu schmerzhaften Brustentzündungen, Milchstau oder sogar Mastitis führen kann. Darüber hinaus benötigt der Körper Zeit, um die hormonellen Veränderungen zu verarbeiten, die mit dem Abstillen einhergehen. Wenn der Prozess zu schnell voranschreitet, wird der Körper überfordert. Auch nicht selten ist der Abstillprozess wie sehr er auch erwünscht wird, ein Loslassen und Verabschieden der Stillbeziehung. Genau in solchen Phasen wird mal wieder die Ambivalenz der Mutterschaft sehr deutlich sichtbar. 

Der Abstillprozess in professionellen Händen einer Stillberaterin

Das Abstillen ist ein sehr individueller Prozess, der für jede Familie anders aussieht. Es gibt keinen universellen Plan, der für alle gleichermaßen geeignet ist. Aus diesem Grund ist es sehr empfehlenswert, die Unterstützung einer erfahrenen Stillberaterin in Anspruch zu nehmen. Sie kann helfen, die richtige Balance zwischen den Bedürfnissen des Kindes und der Mutter zu finden, und gibt praktische Tipps, wie man den Übergang so sanft wie möglich gestalten kann. Eine Stillberaterin kann auch helfen, typische Herausforderungen zu meistern, wie etwa den Umgang mit schmerzenden Brüsten oder emotionalen Belastungen beim Abstillen.

Verschiedene Abstill-Programme informativ, aber….

Es gibt zahlreiche Abstill-Programme auf dem Markt, die versprechen, den Prozess schnell und effizient zu gestalten. Aber solche Programme berücksichtigen oft nicht die individuellen Ressourcen der Familien. Jedes Kind hat einen anderen Entwicklungsstand, jedes Elternteil hat unterschiedliche Bedürfnisse, Temperamente und das Alter des Kindes spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, wie sanft oder schnell der Übergang erfolgen sollte. Es ist wichtig, den Abstillprozess an das Tempo der Familie anzupassen und nicht zu versuchen, ein vorgefertigtes Programm „durchzuziehen“, das auf alle gleich zutrifft. Der Prozess sollte immer individuell und flexibel gestaltet werden.

Stillen nach Bedarf der Leitfaden in der Babyernährung

Stillen nach Bedarf bedeutet, dass das Kind dann gestillt wird, wenn es hungrig ist oder Trost sucht, und nicht zu festen Zeiten oder aus einem geplanten Rhythmus heraus. Es ist ein Zeichen für das Vertrauen der Mutter in die Bedürfnisse ihres Kindes und für das Verständnis, dass jedes Kind seine eigenen Bedürfnisse hat, die sich im Laufe der Zeit auch verändern können. Beim Abstillen sollte dieser Ansatz nicht einfach ignoriert werden. Ein abruptes Weglassen von nächtlichen Mahlzeiten oder das vollständige Abstillen zu einem frühen Zeitpunkt kann dazu führen, dass das Kind emotional und körperlich nicht bereit für diesen Schritt ist. Solche Veränderungen sollten behutsam und mit Bedacht getroffen werden, sodass das Kind die Möglichkeit hat, sich in seinem eigenen Tempo weiterzuentwickeln.

Den Abstillprozess sanft und behutsam begleiten

Abstillen ist nicht nur ein körperlicher Vorgang, sondern auch ein emotionaler und psychologischer Prozess, der sowohl das Kind als auch die Mutter betrifft. Indem wir das Abstillen als einen behutsamen Übergang sehen, der mit Geduld und Achtsamkeit begleitet wird, geben wir beiden die Chance, sich auf die Veränderung vorzubereiten und in eine neue Phase der Beziehung einzutreten. Dabei ist es entscheidend, dass die Bedürfnisse des Kindes genauso Beachtung finden wie die der Mutter. Denn letztlich geht es nicht nur darum, den Säugling von der Brust zu entwöhnen, sondern ihm die Möglichkeit zu geben, auf gesunde und behutsame Weise zum Familientisch zu kommen. 

Das bedürfnisorientierte Abstillen ist ein Prozess, der sowohl das Wohl des Kindes als auch das der Mutter in den Vordergrund stellt. Es gibt keinen „richtigen“ Zeitpunkt für das Abstillen, und jede Familie sollte die Möglichkeit haben, diesen Schritt in ihrem eigenen Tempo und mit der richtigen Unterstützung zu gehen.

Quellenangabe für den Blog (inklusive eigener Expertise):

  • Europäisches Institut für Stillen und Laktation: Fachinformationen zum Thema Stillen und Abstillen, insbesondere zum bindungs- und bedürfnisorientierten Ansatz. https://www.stillen-institut.com
  • Still-Lexikon: Artikel über achtsames und bedürfnisorientiertes Abstillen, der den natürlichen Entwicklungsrhythmus des Kindes und die familiären Bedürfnisse berücksichtigt. https://www.still-lexikon.de
  • La Leche Liga Deutschland: Unterstützung und Beratung für stillende Mütter, einschließlich Informationen zu sanftem Abstillen. https://www.lalecheliga.de
  • Eigene Expertise: Als erfahrene Still- und Laktationsberaterin IBCLC bringe ich meine umfassenden Kenntnisse und persönlichen Erfahrungen in die Begleitung von Familien beim Abstillprozess ein. Meine Arbeit orientiert sich stets an den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Eltern, um den Übergang achtsam, bindungsstärkend und im eigenen Tempo der Familie zu gestalten.

Diese Quellen und meine berufliche Erfahrung bieten fundierte und praktische Unterstützung für Familien, die den Prozess des Abstillens nachhaltig und bedürfnisorientiert gestalten möchten.

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